So schnell kann es gehen! Am Freitag, den 13. (wie gut, dass wir nicht abergläubisch sind), wurde in den meisten Bundesländern die Schulschließung plötzlich verkündet, verbunden mit vielen Unklarheiten, wie Schulen jetzt ganz genau mit dieser Situation umzugehen haben. Und im Nu waren wir alle - Schüler, Eltern und Lehrer - mittendrin im Projekt „Schule in einer digitalisierten Welt“ - auch wenn die Vorzeichen ganz andere sind, als es wohl die meisten Lehrkräfte geplant oder sich vorgestellt haben. Sicher trifft es uns alle unvorbereitet oder auch unfreiwillig, aber die aktuelle Lage lässt den Lehrkräften keine – oder zumindest nicht viele – andere Möglichkeiten. Im Folgenden zeigen wir anhand von kurzen Interviews einen kleinen Einblick in die Herausforderungen der ersten Wochen. Wir werden jeden Tag eine andere Lehrkraft zu Wort kommen lassen.

„Rahmenbedingungen zur Digitalisierung müssen an Schulen flächendeckend aufgebaut werden!“
Nun ein paar Fragen zu Ihrem Alltag, Herr Sagel, in Zeiten von Corona:
1. Welche Herausforderungen sehen Sie für sich in der aktuellen Situation?
„Die Herausforderungen sind für mich als Lehrer auf vielerlei Ebenen zu sehen. Die größte in diesem Zusammenhang – für mich und sicherlich auch für andere Kollegen – beinhaltet die Unsicherheit aufgrund fehlender Erfahrungen im digitalen Lernen. Hierzu zähle ich insbesondere die Unsicherheit beim Umfang und bei der Anforderung von Aufgaben, welche gestellt werden. Verstehen die Schüler überhaupt, was ich meine? Auch eine Differenzierung, wie sie im „normalen“ Unterricht stattfindet, ist hier einfach nicht gegeben. Oft reichen kleine Hilfestellungen im Unterricht, um jemanden auf den richtigen Lösungsweg zu führen. Diese kann man in der aktuellen Situation den Schülerinnen und Schülern nur bedingt geben. Einer der wichtigsten Faktoren aber ist der direkte Kontakt zu meinen Schülerinnen und Schülern: Oft reicht eine Nachfrage oder ein kurzes Gespräch in den Bearbeitungsphasen, um das Kernproblem des Schülers nachvollziehen und gezielt eingreifen zu können. Dies ist zurzeit nicht möglich Auch der regelmäßige Kontakt via Mail oder Telefon kann die Rahmenbedingungen, die ein geordneter Unterricht in der Schule mit sich bringt, nicht ersetzen.“
2. Wie bleiben Sie mit Ihren Schülern in Kontakt?
„Der Kontakt erfolgt hauptsächlich per E-Mail und vereinzelt auch telefonisch. Die Schülerinnen und Schüler erhalten im Fach Mathematik Wochenpläne, die sie freiwillig am Ende der Woche mit Lösung an mich zurücksenden können. Danach erhalten sie von mir eine Rückmeldung zu den Ergebnissen.“
3. Machen viele Schüler von der Möglichkeit Gebrauch, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, um Fragen zu den Arbeitsaufträgen zu klären?
„Ich erhalte immer wieder Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern und auch hin und wieder Nachfragen zu einzelnen Aufgaben. In der Regel kommen aber Komplettlösungen des gesamten Wochenplans. Somit halten sich Nachfragen momentan in Grenzen. Hier möchte ich noch einmal den Schülern Mut machen: Traut euch ruhig jede noch so einfach Frage zu stellen! Ihr erhaltet sicher von allen Lehrkräften schnellstmöglich die nötige Hilfe!“
4. Haben Sie den Eindruck, dass die via Mail und Schul-Website bereitgestellten Arbeitsaufträge ernst genommen und auch bearbeitet werden?
„Bei den mir bekannten Klassen habe ich das Gefühl, dass der größte Teil nach bestem Gewissen die Arbeitsaufträge bearbeitet. Natürlich erhalte ich durch die Freiwilligkeit nicht von allen Rückmeldung. Ich würde mich dennoch freuen, wenn noch mehr Schülerinnen und Schüler davon Gebrauch machen. Es wird denjenigen nur helfen!“
Hierbei ist mir wichtig zu erwähnen: Es ist eine ganz neutrale Rückmeldung, die keinerlei Wertung nach sich zieht!“
5. Angenommen, die Corona-Krise ist vorbei, wie könnte es Ihrer Meinung nach in Bezug auf Digitalisierung an Schulen weitergehen?
„Bevor man im Rahmen der Digitalisierung über konkrete Umsetzungskonzepte an Schulen sprechen kann, ist es unabdingbar, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen flächendeckend an Schulen aufzubauen. Allein dieser Prozess wird seine Zeit brauchen. Dazu zähle ich unter anderem die Ausstattung der Klassenräume und Schulen allgemein (z.B. interaktive Tafeln, Beamer, Dokumentenkameras, Internet …). Sind in der Zukunft diese Bedingungen gewährleistet, bietet das digitale Lernen eine Vielzahl an Möglichkeiten! Allerdings versteckt sich hinter dieser Vielzahl von Lernangeboten auch die Gefahr der Überladung und dem damit verbundenen Verlust der Zielorientierung: Nicht jede Lernplattform ist sinnvoll, nicht jedes Angebot ist zielführend für alle Fächer oder alle Unterrichtsreihen. In meinen Augen befinden wir uns da ziemlich am Anfang. Daher wird es notwendig sein, Lehrkräfte, Schüler und Schülerinnen in diesen Bereichen zu schulen, um die bestmögliche Qualität zu gewährleisten und damit auch den digitalen Unterricht sinnvoll zu gestalten.
Zum Abschluss wünsche ich allen Schülerinnen und Schülern sowie ihren Familien, den Kolleginnen und Kollegen und natürlich allen anderen Menschen in dieser schwierigen Situation alles Gute und vor allem Gesundheit!“
Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag, Herr Sagel.

„Schule ist weit mehr als nur Stoffvermittlung!“
Nun ein paar Fragen zu Ihrem Alltag, Frau Molter, in Zeiten von Corona:
1. Welche Herausforderungen sehen Sie für sich in der aktuellen Situation?
„Bis zu den Osterferien habe ich meine Schüler mit Arbeitsaufträgen versorgt, für die sie nur ihr Buch, Heft oder Google benötigen. Sollte die Schule nach Ostern allerdings weiterhin geschlossen bleiben, muss eine Alternative her. Ich kann beispielsweise nicht von meinen Schülern erwarten, dass diese sich im Selbststudium in Englisch eine neue Unit aneignen. Hierfür muss ich mit ihnen in Interaktion treten, wir müssen uns mindestens hören und miteinander kommunizieren. Ob und wie das zu lösen ist – ich bin gespannt.“
2. Wie bleiben Sie mit Ihren Schülern in Kontakt?
„Die Möglichkeiten per Mail in Kontakt zu bleiben, wird von den Schülern nicht so gerne angenommen. Viele Schüler haben nicht mal eine eigene Mailadresse. Die Schüler bevorzugen den Kontakt durch Schreiben einer SMS, woraufhin ich gerne bei diesen anrufe. Dass Schule weit mehr als nur Stoffvermittlung ist, wird gerade jetzt sehr deutlich. Die Kinder und auch wir selbst verbringen für gewöhnlich mindestens den halben Tag in der Schule – hier findet normalerweise ein großer Teil unseres Soziallebens statt. Neben allen anderen Einschränkungen ist auch momentan das persönliche Miteinander weggebrochen. Wir haben zum Beispiel bei einigen Telefonaten festgestellt, dass viele Schüler einen sehr hohen Redebedarf haben. Aus diesem Grund haben Frau Webb und ich in der 8d nun Telefontage eingeführt, an denen wir alle Schüler der Klasse anrufen, um weiterhin miteinander in Kontakt zu bleiben und uns austauschen zu können.“
3. Machen viele Schüler von der Möglichkeit Gebrauch, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, um Fragen zu den Arbeitsaufträgen zu klären?
„Zunächst versuchen die meisten Schüler ihre Fragen untereinander zu klären – z.B. via Telefon oder WhatsApp. Das scheint sehr gut zu funktionieren. Aber ja, der ein oder andere meldet sich auch, wenn er nicht weiterkommt.“
4. Haben Sie den Eindruck, dass die via Mail und Schul-Website bereitgestellten Arbeitsaufträge ernst genommen und auch bearbeitet werden?
„Auf jeden Fall! Die meisten Schüler bearbeiten die Arbeitsaufträge sehr fleißig und motiviert. Bei unseren Telefonaten habe ich von vielen Schülern erfahren, dass sie sich bei Fragen zusätzliche Unterstützung durch Eltern, Großeltern oder größere Geschwister einholen. Das freut mich sehr, da es zeigt, dass nicht nur die Schüler ihre Arbeitsaufträge ernst nehmen, sondern sie auch den Rückhalt in ihren Familien haben!“ Natürlich gibt es auch Schüler, welche vorzugsweise nichts machen. Bei den meisten sind die Eltern jedoch hintendran und versuchen, ihre Kinder soweit wie möglich zum Arbeiten zu motivieren. Bei anderen Schülern fehlt auch dieser familiäre Rückhalt. Das ist zwar sehr schade, doch diese Schüler hat man auch im regulären Schulalltag.“
5. Angenommen, die Corona-Krise ist vorbei, wie könnte es Ihrer Meinung danach in Bezug auf Digitalisierung an Schulen weitergehen?
„Dass die Digitalisierung unbedingt vorangetrieben werden muss, ist spätestens jetzt jedem klar. Allerdings wird dies noch ein langer Prozess sein und die Frage ist, in welchem Ausmaß das tatsächlich realisierbar ist. Denn es ist nicht jeder Familie zumutbar, einen Laptop (oder gar pro Schüler einen Laptop) anzuschaffen. Hierfür müssten im Vorfeld Laptops/Tablets bereits so in den Unterrichtsalltag etabliert werden, dass sie wie Bücher und Arbeitshefte ganz selbstverständlich dazu gehören und bei Bedarf ebenfalls über die Schulbuchausleihe mit dem Antragsformular auf Lernmittelfreiheit kostenlos ausgeliehen werden könnten. Denn ob internetfähige Handys da eine vergleichbare Alternative darstellen können, bezweifle ich. Auf jeden Fall müssen wir noch mehr Wert auf die Medienkompetenz der Schüler legen. Jeder Schüler sollte in der 5. und 6. Klasse noch intensiver die Basics am PC erlernen, z.B. wie man Word- und PDF-Dokumente erstellt und speichert oder wie E-Mails mit Anhang versendet werden. Diese Fähigkeiten müssen anschließend immer wieder in den regulären Unterricht integriert werden, damit sie im Ernstfall nicht bereits die erste riesige Hürde darstellen.“
Vielen Dank für dieses Gespräch, Frau Molter.

„Umfangreiches
Medienkonzept für unsere Schule geplant!“
Nun ein paar Fragen zu Ihrem Alltag, Herr Müller, in Zeiten von Corona:
1. Welche Herausforderungen sehen Sie für sich in der aktuellen Situation?
„Ohne Präsenz-Unterricht kann man den Schülern nicht einmal kurz helfen, wenn ein Problem auftritt oder etwas erklären. Email und Telefon helfen zwar, ersetzen aber nicht den direkten Kontakt. Man kann den Schülern nicht einfach auf der Tafel oder in ihrem Heft zeigen, wie man ein Problem löst.
Die Kontrolle / Bewertung der Aufgaben gestaltet sich schwierig, manche SuS haben nicht die Möglichkeit Arbeitsblätter auszudrucken, zuhause mit dem PC zu arbeiten oder Emails zu beantworten. Wie bewertet man Leistungen, die drei Wochen lang in Heimarbeit erbracht werden? Was sind wirklich die Leistungen des Schülers und welche Aufgaben haben die Eltern, die große Schwester oder der kleine Bruder gelöst? WhatsApp-Klassengruppen werden nach Hinweisen von Eltern auch rege zum Austausch von Lösungen verwendet.“
2. Wie bleiben Sie mit Ihren Schülern in Kontakt?
„Bis auf Email und Telefon besteht keine weitere Möglichkeit, eine Lernplattform (z.B. Moodle) haben wir (noch) nicht.“
3. Machen viele Schüler von der Möglichkeit Gebrauch, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, um Fragen zu den Arbeitsaufträgen zu klären?
„Ja, es gibt einige Rückmeldungen und Fragen zu Arbeitaufträgen, es findet ein konstruktiver Austausch statt, sowohl von Schüler- als auch Elternseite.“
4. Haben Sie den Eindruck, dass die via Mail und Schul-Website bereitgestellten Arbeitsaufträge ernst genommen und auch bearbeitet werden?
„Ich würde die Frage mit ja beantworten, von vielen Schülern / Eltern habe ich auch nach der Schulschließung Rückmeldungen bekommen, was zumindest bedeutet, dass es Ihnen bewusst ist, dass es Aufgaben gibt und diese bearbeitet werden müssen.“
5. Angenommen, die Corona-Krise ist vorbei, wie könnte es Ihrer Meinung nach in Bezug auf Digitalisierung an Schulen weitergehen?
„Jede Schule sollte zumindest eine grundlegende IT-Infrastruktur haben (PC-Räume, Internet, WLAN). Der Präsenzunterricht sollte durch Lernplattformen wie z.B. Moodle unterstützt werden. Langfristig wäre es wünschenswert, dass Online-Unterricht möglich wird (Videokonferenzen), um Situationen wie die Jetzige zu vermeiden. Auf diese Weise könnte man auch Schüler unterstützen, die länger z.B. aus Krankheitsgründen nicht am Präsenz-Unterricht teilnehmen können. Für unsere Schule ist ein umfangreiches Medienkonzept geplant, in dem genau beschrieben sein wird, wie Digitalisierung in Zukunft vorstellbar ist.“
Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Müller.